Konfetti oder Konflikt
„Endlich geht es wieder los. Ab jetzt regiert die Narretei“
So ähnlich wird es überall klingen, wenn in den Tagen rund um den 11. November die neue närrische Session eröffnet wird. Und damit sprechen die Verantwortlichen sicherlich aus den Herzen vieler europäischer Närrinnen und Narren. Die neue Session 2022-2023 beginnt mit vielen Erwartungen und vielleicht mit einigen Unbekannten. Sie endet in den meisten europäischen Regionen pünktlich am Aschermittwoch. Und an diesem Zyklus hält die Närrisch-europäische Gemeinschaft (NEG), Europas größter Narrendachverband fest. „Dies ist das fastnächtliche Brauchtum und schon über Jahrhunderte verankert im Leben- und im Jahresrhythmus der Menschen. Alle Veranstaltungen außerhalb der Brauchzeit gehören in das Spektrum der Party und des Halligalli.
Mit Vollgas planen die Karnevalsvereine und -gesellschaften in den Städten und Dörfern, die Narren und Jecken seit Wochen den Start in eine hoffentlich normale Session 2022-2023. Mit Rückschau auf die beiden letzten Jahren wird wohl der eine oder andere Karnevalist noch ein Tränchen im Auge haben; doch nun freuen sich alle auf Veranstaltungen, Umzüge und Narrentreffen.
Kann das Klappen?
Doch der Blick auf die aktuelle Situation treibt den Narren auch Sorgenfalten ins Gesicht. Letztendlich läuft es auf die eine Frage hinaus: ‚Kann eine normale Session klappen?‘. Coronaschutz, erhöhte Energiepreise, steigende Kosten im Gastronomie- und Hotelgewerbe, Fachpersonalmangel, Verteuerung der Lebensmittelkosten wie auch die Steigerung bei Ausgaben in den Karnevalsfachbetrieben: Spaß und Freud wird eine kostspielige Angelegenheit werden. Schreckt dies in unseren Zeiten einen wahren Karnevalisten ab?
Seit rund 200 Jahren ist der (organsierte) Karneval in vielen europäischen Ländern fester Bestandteil des kulturellen Lebens. Es spiegelt ein ‚Lebensgefühl‘ wider, welches Abgrenzungen widerspricht, Menschen zusammenführt und Ablehnung unterbindet. Das Corona-Virus hat deutlich gemacht, die Isolation hat Vieles eingefroren. Viele Vereine kämpfen ums Überleben, immer wieder machen sich Besucherinnen und Besucher Sorgen um mögliche Ansteckungsgefahren.
Dabei unterstützt die NEG jede Form der Einbringung des Einzelnen oder in Gemeinschaft, jede Investition in die karnevalistische Brauchtumspflege und das ehrenamtliche Engagement unzähliger Fastnachter. Ohne diesen uneigennützigen Einsatz von 8,5 Millionen Narren in Europa wäre unsere Welt um einen großen Teil an Menschlichkeit und sozialem Engagement ärmer.
Schluss mit lustig?
Die NEG und ihre Mitgliedsverbände bekräftigen ihre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung. Karneval 2023 soll lebensbejahende Akzente setzen, die Verschiedenartigkeit in seinen Formen erhalten und darüber hinaus verbinden.
„Es nützt niemanden, wenn nicht gefeiert wird. Die Welt wird niemals so sein, dass man sagt: ‚Hey, alles topp, wir können feiern!'“ sagt der bekannte Künstler und Wagenbauer Jacques Tilly (Düsseldorf).
‚Schluss mit lustig‘ stellt für die NEG keine Alternativ dar. Freud und Leid liegen in dieser Zeit eng beieinander. Trotzdem! Das Miteinander und die menschliche Feinfühligkeit sind starke Kräfte im Brauchtums(er-)leben. Freud und Leid sind unzertrennbar, sind auch die beiden Seiten eines Karnevalsorden: bunt und einfarbig trüb. Und jeder Jeck und Narr trifft selbst die Entscheidung, ob er Konfetti und Luftschlangen wirft, Pappnase oder Maske aufsetzt.